Gute Medizin für alle! Breites Bündnis fordert Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung für Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung

Angesichts der aktuellen Krankenhausreform fordert ein breites Bündnis von Verbänden, Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung nicht zu vergessen. Bisher werden bei ihnen Krankheiten oft zu spät erkannt und behandelt, weil Besonderheiten nicht bekannt sind und die Gesundheitsversorgung nicht auf sie eingestellt ist: Denn bei Menschen mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung treten zahlreiche Krankheitsbilder einerseits deutlich häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung, andererseits sind sowohl Symptomatik als auch Verlauf oft atypisch und die Behandlung individuell sehr spezifisch.

Hinzu kommt, dass sie wegen ihrer Behinderung oftmals nicht in gleicher Weise untersucht werden können. Deshalb muss das Gesundheitssystem insgesamt barrierefrei werden, zum Beispiel mit Untersuchungsmöglichkeiten für Menschen mit mehrfacher Behinderung oder mit mehr Informationen in Leichter Sprache. Darüber hinaus sind für die speziellen gesundheitlichen Bedarfe spezialisierte Stationen oder Abteilungen erforderlich, in denen Ärztinnen und Ärzte, Pflegende und therapeutische Fachkräfte mit entsprechender Erfahrung und Kompetenz arbeiten. Hierdurch könnte beispielsweise eine gute Diagnostik auch in komplexen Fällen gesichert und spezifische Pflegebedarfe besser abgedeckt werden.

Das Bündnis hat einen gemeinsamen Appell an das Bundesgesundheitsministerium und Abgeordnete gesandt, um endlich Verbesserungen zu erreichen.
«Die Krankenhausreform muss jetzt dafür genutzt werden. Es darf nicht sein, dass gerade Menschen mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung aufgrund ihrer Beeinträchtigung benachteiligt sind», betont Ulla Schmidt, Bundesgesundheitsministerin a.D. und Bundesvorsitzende der Lebenshilfe. «14 Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention ist es längst überfällig, dass Menschen mit Behinderung eine Gesundheitsversorgung bekommen, die ihre speziellen Bedarfe berücksichtigt, wie es Artikel 25 ausführt.»

Dr. Gerhard Meier, Vorstand Stiftung Lauenstein und Angehöriger von Menschen mit hohem Assistenzbedarf, unterstreicht die Wichtigkeit des Appells: «Bisher ist man immer auf den guten Willen und die Einsicht der behandelten Ärzt*innen im Krankenhaus angewiesen, damit unsere Angehörigen mit hohem Assistenzbedarf im Krankenhaus gut begleitet werden! Wir brauchen jetzt dringend eine Regelung, dass Menschen mit Assistenzbedarf im Krankenhaus wirklich angemessen versorgt werden und sie die notwendige Begleitung ganz selbstverständlich erhalten.»

Gemeinsamer Appell

    

Nora Köhler, Justitiarin Anthropoi Bundesverband, zu den Hintergründen:

 

  • Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist ein Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitssystem verankert.
  • Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) strebt eine umfassende Krankenhausreform an.
  • Deutschland wird am 29. und am 30. August 2023 vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderung hinsichtlich der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) geprüft.
  • Art. 25 UN-BRK fordert einen gleichberechtigten Zugang zur gesundheitlichen Versorgung, unter Berücksichtigung der speziellen Bedarfe für Menschen mit Assistenzbedarf.

Die Bundesregierung muss aus diesem Grund spätestens jetzt dafür sorgen, dass Menschen mit schwerer geistiger oder mehrfacher Behinderung nicht vergessen werden und endlich einen UN-BRK-konformen Zugang zum Gesundheitswesen erhalten.

Manfred Trautwein, Geschäftsführer Anthropoi Bundesverband, zum weiteren Vorgehen:


Die stationäre Versorgung von Menschen mit Assistenzbedarf muss dringend verbessert werden. Zum jetzigen Zeitpunkt sind viele Krankenhäuser nicht in der Lage, eine passende Diagnose und Versorgung zu gewährleisten. Menschen mit Assistenzbedarf stellen in vielen Fällen besondere Anforderungen an das medizinische Personal. Dafür müssen die Krankenhäuser mit geschulten und erfahrenen Fachkräften ausgestattet werden.  

Art. 25 UN-BRK fordert einen gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem für Menschen mit Assistenzbedarf. Jetzt müssen den Worten endlich Taten folgen! Es ist höchste Zeit, dass die Menschen mit schweren geistigen oder Mehrfachbehinderungen die gesundheitliche Versorgung bekommen, die sie benötigen.

Anthropoi Bundesverband möchte dieses Thema auch mit dem Verband Anthroposophischer Kliniken kommunizieren und weiterentwickeln. Für das anthroposophische Sozialwesen ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auch mit der anthroposophischen Medizin, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich, seit deren Gründung von großer Bedeutung. Es wäre wünschenswert, wenn im Zuge der hier geforderten Ausgestaltung der Krankenhausreform auch in anthroposophischen Kliniken Spezialangebote für Menschen mit hohem Assistenzbedarf entstehen.

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